8 Jahre und 8 Monate geschuftet

Mit einem selbstgebauten Flugzeug an die Nordseeküste

Text und Fotos: Ingo von Oven

Sandra und Joachim Weinert glücklich in EDXB gelandet

800 km flogen dieser Tage Joachim Weinert und seine Frau Sandra aus Aschaffenburg an die Nordseeküste nach Büsum, um hier einem Freund einen Besuch abzustatten. Kein gewöhnlicher Flug, denn das Flugzeug war nicht in einer Fabrik hergestellt worden. Ganze acht Jahre und acht Monate hatte der 58-jährige Feinmechaniker Weinert gebraucht, um aus einem Bausatz (Vans aircraft) ein funktionierendes Flugzeug, ein RV7, zusammen zu bauen: Ein Zweisitzer, geeignet für Reise und auch Kunstflug (Rollen, Rückenflug und Loopings) mit einem 180 PS starken Lycomingmotor mit 4 Zylindern, bewusst ausgewählt mit bleifreiem Sprit (Superbenzin). Ideal zum Reisen, nicht nur wegen der Flugeigenschaften, sondern insbesondere wegen der enorm großen Gepäckräume, woran es bei anderen Flugzeugen oft mangelt, und der optimalen Reisegeschwindigkeit zwischen 250 und 280 Stundenkilometern.

Im Jahr 2005 begann der erste Handschlag für das Flugzeug im eigenen Haus. Auf dem Dachboden begann der für diese Arbeit prädestinierte Feinmechaniker, der beruflich mittlerweile seit 30 Jahren in der Grundlagenforschung tätig ist, mit dem Montieren. Hilfe fand er in seiner handwerklich begabten Frau. Nachdem die Flügel fertiggestellt waren, mussten diese – nachdem das Dach des Hauses in Einzelteile zerlegt und mit einem Kran abgehoben wurde – angehoben und neben dem Haus deponiert werden. Dann folgte der Bau des Rumpfes und das Montieren der Elektronik und Avionik. Nach endgültiger Fertigstellung machte Weinert seinen ersten Flug – zunächst nur allein und ausschließlich in die nähere Umgebung – um Erfahrungen zu sammeln und Verbesserungen durchführen zu können. Erst ab dem zweiten Flug ließ er sich von seiner Frau begleiten.

Der Bau des Flugzeuges als Autodidakt war ein langer, manchmal auch dornenreicher Weg bis zum fertigen Flugzeug. In kleinen Schritten waren aber beide doch bis zum Endziel, der ersten Zulassung, vorangekommen.

„Um weitere Hilfestellung zu erhalten, besuchten wir verschiedene Flugmessen, wo wir weitere Tipps erhielten oder orientierten uns in verschiedenen Foren im Internet. Auch die Institution des Oskar-Usinus-Vereins mit vielen Fachleuten half uns bei den gesamten Zulassungsprozessen“ stellt der findige Tüftler Weinert fest. „Als Maskottchen wählten wir übrigens eine Eule und als Namen „Rosalie“, sagte Joachim Weinert, der in der Weihnachtszeit gern den Film „Drei Haselnüsse für Aschenbrödel“ sehen mag, in dem die derart genannte Eule vorkommt.

Pures Glück erfüllt die beiden Flugzeugmonteure, wenn sie ihre mit viel Zeitaufwand entwickelte Maschine betrachten, und freuen sich auf jeden Flug, den sie meistens gemeinsam durchführen. Gemeinsames Fazit: „Es ist schon ein besonderes Erlebnis, wenn man mit seinem selbst gebauten Flieger unterwegs sein kann“.

Der Flug von der Heimatstadt Aschaffenburg nach Büsum diente dem Besuch einer befreundeten Familie – wie kann es anders sein- natürlich auch dem Flugsport verbunden. Der befreundete Pilot Gunther Wölfel fliegt seit Jahrzehnten nicht nur mit den Maschinen des Büsumer Flugsportclubs, sondern ist – einzigartig hier in der Region – mit einem Gyrocopter, auch Tragschrauber genannt, unterwegs. Mit diesem hubschrauberähnlichen Gefährt führt er auch für Gäste Rundflüge vom Büsumer Flugplatz aus durch, ideal zum Kennenlernen der Küsten- und Wattlandschaft und sehr geeignet für Fotoflüge.

Einige Tage werden die beiden flugbegeisterten Süddeutschen noch hier bleiben und das schöne Wetter im Norden genießen. Sie lieben die nordische Landschaft und auch den hiesigen Menschenschlag, werden Tagesausflüge in die nähre Umgebung oder auch noch einmal nach Helgoland unternehmen, bevor sie wieder nach einem erlebnisreichen 800-km-Flug in den Süden in ihre Heimatstadt Aschaffenburg zurückkehren.

Das größte Ziel aber haben beide Flieger noch vor sich und schwärmen: „Unser sehnlichster Wunsch ist ein Flug zum Nordkap und über die grandiosen Fjorde Norwegens“. Auch diese Tour wird der fliegende Selbstbausatz – Entschuldigung: die mittlerweile flugerfahrene und sichere Maschine mit dem versierten Piloten Jochen Weinert, der mit Modellbau und danach Segelflug und Fliegen mit den Ultraleichtflugzeugen des örtlichen Flugvereins vielseitige Erfahrungen hat, und der Copilotin, seiner Frau, problemlos schaffen. Mit Sicherheit ist auf dem Rückflug auch wieder eine Landung auf dem Flugplatz in Büsum vorgesehen, wo auch viele andere Piloten mit ihren unterschiedlichen Maschinen einen Stopp einlegen, nicht zuletzt, um hier im Bistro die seit Jahrzehnten bekannte und beliebte lukullische Spezialität, frische Nordseekrabben mit Spiegelei, zu genießen und sich von der befreundeten Familie zu verabschieden.

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